14.02.2005
Ein Mann der Praxis faszinierte die Schüler
Beim Berufsinformationstag der Ziehenschule, bei dem Vertreter verschiedener Branchen den Schülern der Oberstufe ihre berufliche Laufbahn und Praxis schildern
Wer als Pilot für die Deutsche Lufthansa arbeiten will, braucht nicht nur einen Abiturabschluss, starke Nerven und ein gutes Sehvermögen. Für die Aufnahme in das zweijährige Schulungsprogramm, das zum Teil in Bremen, zum Teil in Phoenix, der Hauptstadt des US-Bundesstaates Arizona, stattfindet, kann sich nur qualifizieren, wer mindestens 1,65 Meter, höchstens 1,95 Meter misst. Beim Berufsinformationstag der Ziehenschule, bei dem Vertreter verschiedener Branchen den Schülern der Oberstufe ihre berufliche Laufbahn und Praxis schildern, erklärt Katrin Keferstein von der Abteilung Konzern-Personalmarketing und - auswahl der Lufthansa den Hintergrund dieser Regelung: «Die technische Ausstattung unserer Maschinen ist für kleinere oder größere Menschen nicht mehr optimal bedienbar.» Unter der Internetadresse www.hh.dlr.de können Ausbildungssuchende probehalber einen Test absolvieren, den in ähnlicher Ausführung auch die angehenden Piloten bestehen müssen.
Während Katrin Keferstein die Bewerbungsvoraussetzungen für einige der über 40 Ausbildungsberufe erläutert, die die Lufthansa derzeit anbietet, berichtet der Lokalredakteur der Frankfurter Neuen Presse, Sören Rabe, wenige Klassenzimmer weiter vom journalistischen Alltag zwischen der morgendlichen Redaktionskonferenz um 11 Uhr und der letzten Druckabnahme um 23 Uhr. Wie weit die Gestaltung einer Seite auch gediehen sei, die endgültige Zusammensetzung der Texte und Bilder sei bis zuletzt offen. «Unvorhersehbare Ereignisse, wie etwa Explosionen, die unbedingt Eingang in die Berichterstattung finden müssen, können jederzeit dazu führen, dass die gesamte Planung über den Haufen geworfen werden muss.»
Die Schüler zeigen sich vor allem an der Verantwortung interessiert, die Journalisten für die von ihnen verfassten Texte tragen. Sören Rabe erklärt die gängige Regelung: «Die Hauptverantwortung liegt beim Chefredakteur, dem wiederum die verschiedenen Ressortleiter unterstellt sind, die für den Lokal-, Sport- oder Politikteil verantwortlich sind.» In letzter Konsequenz indes müsste im Widerspruchsfall jeder Autor persönlich für den Inhalt seiner Texte Rechenschaft ablegen.
Ein dickes Fell sei gelegentlich vonnöten, zumal nicht jeder Artikel bei der Leserschaft auf ungeteilte Zustimmung stieße. «Es kommt schon mal vor, dass man am nächsten Tag böse Anrufe erhält.» Der 39-Jährige, der seit zehn Jahren als Journalist arbeitet, rät seinen jungen Zuhörern, sich auf bestimmte Interessengebiete zu spezialisieren, um später aus der Masse der Bewerber, etwa um einen Volontariatsplatz, hervorzustechen. Neben fachlichen Qualifikationen sei es wichtig, Menschen unabhängig von ihrer Herkunft und Situation offen und unvoreingenommen gegenüberzutreten.
Obgleich Redakteure den größten Teil ihrer Arbeitszeit im Büro vor dem Bildschirm verbrächten, sei der Kontakt zur Bevölkerung unerlässlich. «Als Lokalredakteur gilt es, ein kleines Netz von Informanten aufzubauen, die sich in der Redaktion melden, wenn sich in ihrer Umgebung etwas ereignet. Wenn die Menschen mit einer Zeitung ein Gesicht verbinden, rufen sie auch an.»
Vertrauen ist Rabe zufolge auch die Voraussetzung für investigative Berichterstattung. «Einmal einen großen Skandal aufdecken zu können, das ist wahrscheinlich der Wunsch jedes Journalisten. Um so weit zu kommen, braucht man viel Geduld und gute Verbindungen zu Leuten aus der Politik, die einem bei Zeiten den ein oder anderen Hinweis geben.» Freilich müsste jedes Detail einer Enthüllungsgeschichte genau recherchiert sein, sonst sei der Ärger programmiert.
Während sich in den Korridoren der Ziehenschule, die am Samstag zum Tag der offenen Tür geladen hatte, die Besucher drängen, dankt Schuldirektor Manfred Eichenauer den Referenten im Lehrerzimmer für ihren Einsatz. Gespräche mit Vertretern verschiedener Branchen seien für die Schüler wegen ihrer Unmittelbarkeit von größerem Interesse als der Austausch mit hauptamtlichen Berufsberatern. «Wir raten unseren Schülern, möglichst früh Praktika zu machen, um zu vermeiden, dass sie sich nach dem Abitur die gleiche Frage stellen müssen wie entlassene Strafgefangene: «Was nun?» (jul)

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