30.03.2011
Dieser Neubau macht Schule
Der Frankfurter Passivhausbau macht Schule und könnte schon bald zum Exportschlager werden. Gestern nahm eine spanische Architektendelegation mehrere städtische Neubauprojekte unter die Lupe – unter anderem den Neubau des Ziehengymnasiums.
Ein wenig stolz ist Manfred Eichenauer schon. Der Direktor der Ziehenschule steht vor dem Neubau auf dem Gelände des Gymnasiums an der Josephkirchstraße. Um ihn herum blicken knapp zwei Dutzend Besucher interessiert auf den Rohbau, der eingerüstet hinter Eichenauer zu sehen ist. Es handelt sich um eine Delegation spanischer Architekten, die ihrem Kollegen Harald Heußer, dem Abteilungsleiter für Schul- und Sportbauten im städtischen Hochbauamt, zuhören.
Er stellt den 22 Spaniern ein besonderes Projekt vor, denn Heußer ist ausgewiesener Fachmann für energiesparendes Bauen und hat in den vergangenen Jahren so manches Frankfurter Passivhaus vom Reißbrett bis zur feierlichen Einweihung begleitet. Für Heußer ist es keine Überraschung, dass die Kunde von der Frankfurter Vorliebe für zukunftsweisende Neubauten längst bis über die Landesgrenzen hinaus gedrungen ist.
Verbesserungen nötig
Während der Passivhaus-Experte seinen spanischen Gästen die Vorzüge dreifach verglaster Fenster, extensiv begrünter Häuserfronten und extradicker Außenfassaden erläutert, sind die Spanier damit beschäftigt, Fotos und Videos von Lüftungsrohren, Türrahmen und Fensterfronten zu schießen. «Wir suchen nach Wegen, effizienter zu bauen und wollen diesen Standard auch in Spanien einführen», sagt Chavier Crespo, der als Präsident der spanischen Passivhausplattform PEP davon überzeugt ist, dass auch beim iberischen Hausbau «ohne Zweifel Verbesserungsbedarf» bestehe.
Auch Crespos Kollegen teilen diese Ansicht. Daher haben sie sich auf den Weg nach Deutschland gemacht, um sich an der anderthalbtägigen Klimatour durch Frankfurt und Ludwigshafen zu beteiligen. Organisiert wurde der Fachaustausch vom Energiehaus Barcelona, dem Energiereferat der Stadt Frankfurt und Architekten-Netzwerk AID.
Neben der Ziehenschule stehen unter anderem das von der ABG entwickelte Diakonissenareal sowie der Wohnungsneubau in der Rotlintstraße 116–128 auf der Agenda der wissensdurstigen Spanier. Diese interessieren sich vor allem für energiesparende und gleichermaßen komfortable Wohnbauprojekte. Schließlich scheint das Ende des spanischen Baubooms absehbar. Künftig könnte wieder Klasse statt Masse gefragt sein.
Bausünden der 70er
Während Harald Heußer seine Kollege durch den dreigeschossigen und kubischen Schulrohbau führt, kommt er immer wieder auf die Bausünden der 70er-Jahre zu sprechen. So sei der nebenan stehende Erweiterungsbau der Ziehenschule ein Alptraum in Sachen Energieeffizienz und Funktionalität. «Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass ein Neubau genauso teuer ist wie eine Sanierung», sagt Heußer und verweist auf den «Masterplan», der erarbeitet wurde, um das rund 1400 Schüler zählende Gymnasium fit für die Zukunft zu machen.
Schulleiter Manfred Eichenauer beobachtet das Treiben und lobt das planerische Gesamtkonzept, welches das Hochbauamt für seine Europaschule erarbeitet hat. Der Rektor freut sich bereits auf die Zeit, in der er seine Schüler in hochmodernen und perfekt klimatisierten Unterrichtsräumen anstatt in zugigen Holzpavillons unterrichten kann. Unterdessen ist der ausführende Architekt Marcus Schmitt damit beschäftigt, die Fragen seiner Kollegen nach Materialbeschaffenheit, Mehrkosten und energetischer Ersparnis zu beantworten. Schmitts Auskünfte sind offenbar zufriedenstellend. Denn die Spanier nicken zustimmend, bevor sie zur nächsten Besichtigung aufbrechen.
Von Mirco Overländer

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