S6-Ausbau: Ärger um Treppe an Station Eschersheim – Keine Barrierefreiheit

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Geschafft! Sichtlich erleichtert ist Tanja Jung, als sie ihr schweres Rad die Stufen am Bahnhof hinaufgetragen hat. © Nikolai Kuhnert
Geschafft! Sichtlich erleichtert ist Tanja Jung, als sie ihr schweres Rad die Stufen am Bahnhof hinaufgetragen hat. © Nikolai Kuhnert

Der Bahnsteig Richtung Stadt ist an der S-Bahn-Station der S6 in Frankfurt-Eschersheim nur über eine steile Treppe zu erreichen.

Frankfurt – Noch klebt der Matsch am Fahrrad von Tanja Jung (47). Sie fährt leidenschaftlich gerne und nennt ihr Rad deshalb auch liebevoll „Matschkanone“. Ihr Weg zur Arbeit von Eckenheim nach Bad Vilbel führt sie jeden Tag mit dem Rad zum Bahnhof Frankfurt-Eschersheim. Dort steigen sie zusammen in die S6. Das ist kein Problem. Anders der Rückweg am Abend. Denn das Bahngleis, an dem die S-Bahnen in Richtung Innenstadt halten, ist seit Dezember nicht mehr barrierefrei. Nur noch eine steile Treppe mit 38 Stufen ermöglicht den Aufgang auf die Straße und das Verlassen des Gleises. Denn der bislang hindernisfreie Weg – an der ehemaligen Batschkapp vorbei – ist mittlerweile dicht. Dauerhaft – wegen des S-Bahn-Ausbaus. Für Tanja Jung ein Unding.

„Es ist die Angst runterzufallen, die ich immer habe, wenn ich mein Fahrrad die Treppen hoch schleppe“, sagt Jung. Sie bräuchte insgesamt bis zu fünf Minuten und zwei Pausen für einen Aufstieg. „Meine größte Sorge ist immer das Wetter. Wenn die Stufen durch Eis oder Regen rutschig sind, ist es alleine zu gefährlich. Dann brauche ich Hilfe.“

S-Bahn-Ausbau in Frankfurt: Steile Treppe raubt Passagieren die Barrierefreiheit

Doch nicht nur Fahrradfahrer sind am Gleis gefangen. Kurz nach Beginn der Sperrung traf Jung jemanden, der auf die Barrierefreiheit noch stärker angewiesen ist als sie: einen Rollstuhlfahrer. Er stieg mit ihr in Eschersheim aus und fragte Jung, wie er denn vom Bahngleis weg komme. „Die Baustelle war noch neu, ahnungslos verwies ich ihn daher an den Ausgang am Ende des Bahnsteigs“, berichtet die Frankfurterin. Den es aber nicht mehr gab. Lediglich die Treppe gab es noch, für einen Rollstuhlfahrer ein überwindbares Hindernis.

„Es gab keinerlei Informationen. Vom einen auf den anderen Tag war plötzlich die Baustelle da. Der Rollstuhlfahrer hätte das Gleis nicht mehr alleine verlassen können“, erzählt Jung. Da dieser noch mal deutlich schwerer als ihr 26 Kilogramm schweres Fahrrad ist, mussten die beiden Gestrandeten auf die nächste Bahn warten. In der Hoffnung, bei den Aussteigenden zwei hilfsbereite Frankfurter zu finden

Der Plan ging zum Glück auf. Ein Mann packte den Rollstuhl vorne, ein anderer hinten. Zusammen hievten die beiden so mit aller Kraft den Rollifahrer die Treppe hoch. „Mir kommt es so vor, als wären alle Menschen vergessen worden, die etwas Schweres oder Sperriges dabei haben. Seien es Radfahrer oder Rollstuhlfahrer, aber auch Mütter mit Kinderwagen können den Bahnsteig in Richtung Innenstadt alleine nicht mehr betreten oder verlassen“, sagt Jung, die selbst an Rheuma erkrankt ist. Nach der Arbeit ist sie oft kaputt. Besonders jetzt, wo sie ihr Rad am späten Nachmittag noch die 28 Stufen am Eschersheimer Bahnhof hinauf tragen muss.

Baustelle an S-Bahn-Station Eschersheim ist ein großes Problem für Rollstuhlfahrer

Stattdessen mit dem Bus zu einer anderen S-Bahn-Station zu fahren sei trotzdem keine Option. „Ich wurde da schon rausgeworfen, weil Kinderwagen und Rollstuhlfahrer Vorrang haben.“ Deshalb wäre die einzige Möglichkeit, mit dem Rad nach Bad Vilbel zu fahren. Was Jung auch im Sommer machen will, aber ihr im Winter zu gefährlich ist. „Für Fahrradfahrer ist es ja noch okay. Aber für alte Menschen, Rollstuhlfahrer oder Mütter ist die Situation untragbar. Ich hoffe, dass in den kommenden Wochen noch etwas passiert.“

Diese Hoffnung ist aber vergebens, wie es eine Sprecherin der Deutschen Bahn erklärt. „Eine provisorische Maßnahme für einen barrierefreien Zugang bis zum Einbau der geplanten Aufzüge ist leider nicht möglich“, sagt sie. Mobilitätseingeschränkten Menschen oder Bahnfahren mit viel Gepäck empfiehlt die Deutsche Bahn deshalb bis „Frankfurt West“ zu fahren. Und von dort eben wieder zurück nach Eschersheim, auf das Gleis, das ebenerdig verlassen werden kann.

Keine Durchsage im Zug – Bahnhof Eschersheim wegen Baustelle nicht barrierefrei

Für Ortsvorsteher Friedrich Hesse (CDU) ein Unding – auch die Stadtteilpolitiker seien über diesen Schritt nicht informiert worden. „Es kann ja durchaus sein, dass die Baustelle keine Barrierefreiheit zulässt. Dann erwarte ich aber, dass in den Zügen eine entsprechende Durchsage gemacht wird, dass der Bahnhof Eschersheim nicht barrierefrei ist“, schlägt er vor.

Zumindest so lange, wie das der Fall sei. Voraussichtlich also bis Ende des Jahres. Dann sei die Baustelle abgeschlossen, der Bahnhof neben Treppen auch über einen Aufzug von der Maybachbrücke erreichbar, so die Deutsche Bahn. Bis dahin heißt es schleppen.

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