Ein Frankfurter Keller voller Erinnerungen

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Auf den Spuren der Geschichte: Im Keller des 1880 erbauten Wohnhauses am Weißen Stein tauchen Inge Cromm und Hans Schuck in die Vergangenheit Eschersheims ein. © hamerski
Auf den Spuren der Geschichte: Im Keller des 1880 erbauten Wohnhauses am Weißen Stein tauchen Inge Cromm und Hans Schuck in die Vergangenheit Eschersheims ein. © hamerski

140 Jahre altes Gebäude in Eschersheim wird im Frühjahr abgerissen

Steil sind die Treppen hinab in den Keller, die Tür knirscht, es steigt ein muffiger Geruch nach oben. Eine an der Decke baumelnde Birne spendet wenig Licht. Aber genug um zu sehen, dass nicht viel geblieben ist, von dem einst gemütlichen Keller mit der großen Bar aus dunklem Holz in der Mitte, an der noch vor wenigen Jahren die ein oder andere Feier stattfand.

Der Mann für alle Fälle

Es ist der Keller des im März 2019 verstorbenen Klaus Funk, der viele Jahre für die FDP im Ortsbeirat 9 (Dornbusch, Eschersheim, Ginnheim) saß. Jetzt öffnet Hans Schuck den Zugang. Vierzehn Jahre lang war er als Funks Hausmeister so etwas wie „sein Mann für alle Fälle“, sagt er. Nun habe er die schwierige Aufgabe, das Wohnhaus am Weißen Stein, schräg gegenüber des Herkules-Denkmals, zu entrümpeln. Denn es wird im Frühjahr abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Was mit dem Nachbargrundstück wird, wo sich der Tedi-Markt befindet und das auch Klaus Funk gehörte, wisse er nicht. „Das ist wohl noch nicht abschließend geklärt“, sagt er.

Oft hätten sie sich mit dem Ortsbeirat in Funks Keller getroffen, sagt Inge Cromm, Fraktionsvorsitzende der CDU, die allein wegen dieser Erinnerungen der Einladung von Hans Schuck gerne gefolgt ist. Aber auch, weil dieser beim Aufräumen auf etwas gestoßen ist. Nämlich auf Hinweise, dass dort einst der Eschersheimer Abtshofes, das Zentrum des Dorfes, gestanden haben könnte. Und tatsächlich: „Der Abtshof stand bereits im Jahre 1000 an dieser Stelle“, steht auf einem eingerahmten Schriftstück. Das wäre eine Sensation, sagt Schuck. Und: Es würde erklären, warum der Boden in den vergangenen Monaten immer wieder unterspült worden sei. „Da unten muss etwas schlummern“, sagt er und tritt mit der Fußspitze in den Boden. Es klingt hohl.

Das mag sein, aber wohl nicht die Reste des Absthofes. Denn das Wohnhaus wurde 1880 erbaut, der Hof aber erst 1914 abgerissen. Zudem stand das Anwesen, das ursprünglich den Benediktinern des Kloster Seligenstadt gehörte, auf der anderen Seite der Bahntrasse. Zwischen Emmauskirche und Friedhof, dort wo heute die Maybachstraße verläuft. Wie auch ein großes Wandbild zeigt: Es bildet den Abtshof ab, im Hintergrund sieht man unverkennbar den Turm der Emmauskirche. Nur eines von vielen Bildern aus Eschersheim und Frankfurt, die Funk in seinem Haus wie in einem kleinen Museum präsentierte. So war in den Fensterscheiben gar der Lindenbaum, das Wahrzeichen Eschersheim eingelassen.

Das Zentrum des Dorfes

Denn wenn Funk etwas geliebt hat, dann war es sein Stadtteil und dessen Geschichte. So hätte er wahrscheinlich auch viel über den Abtshof erzählen können. Das einstige Zentrum Eschersheims und über Jahrhunderte beherrschende Anwesen des Dorfes. Dort tagten das Dorf- und das Hofgericht.

Um die 150 Hektar groß war der Landbesitz des Abtshofes im Mittelalter. Dieser reichte bis nach Ginnheim, nahe dem Höllberg lagen zudem die Weingärten des Hofes. 1253 verkaufte das Kloster Seligenstadt seinen Besitz an das Kloster Haina, 1278 ging dieser an das Kloster Arnsburg über. 1399 verkaufte das Kloster sein Eigentum an Henne Kuhle aus Frankfurt, mit der Bedingung, dass der neue Eigentümer Schultheis, also Gemeindevorsteher von Eschersheim sein müsste. 1460 schließlich erwarb die Familie von Stutternheim das Anwesen, 1767 kaufte es die Gemeinde. Was eine gewaltige finanzielle Kraftanstrengung bedeutete, die auch durch den Verkauf des Heckwaldes – das Gehölz in der Gegend des jetzigen Wasserturms – nicht wettgemacht werden konnte.

Zwei Jahre später musste der Hof wieder verkauft werden, neuer Eigentümer war der Freiherr von Wetzlar, auf ihn folgte die Familie Heyer. Letzter Eigentümer des Abtshofes war Karl Rühl, der zugleich auch der letzte Eschersheimer Bürgermeister war. 1914 kaufte die Stadt den Hof und ließ ihn abreißen. Denn das Gelände wurde für den Bau des Bahnhofs und der Maybachstraße benötigt.

„Eigentlich schade, dass der Abtshof nicht hier stand“, sagt Hans Schuck. Wohlwissend, dass dies für die neuen Eigentümer sowie den geplanten Abriss und Neubau eine eher unangenehme Überraschung gewesen wäre. Das 1880 erbaute Haus zu erhalten, sagt Schuck, sei keine Option gewesen. Zu schlecht sei mittlerweile der Zustand des Mauerwerks.

„Mit dem Abriss werden nicht, nur viele Erinnerungen, verschwinden. Auch das Bild von Eschersheim und dem Weißen Stein wird sich stark verändern. Zumal ja auch das Drosselbart-Gelände neu bebaut wird“, sagt derweil Inge Cromm. Gerne möchte sie deshalb zumindest Klaus Funk und seiner Liebe zu Eschersheim ein Andenken bewahren. „Ich werde versuchen, ob es nicht Menschen gibt, die sich für die alten Bilder und auch Bücher interessieren“, sagt sie. Damit es wenigstens etwas gibt, was bleibt.

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